Manchmal kommen SchülerInnen zu mir, die scheinbar absolut gar kein Talent zum singen haben. In der ersten Stunde kommen ungefähr 3 Töne rauf und runter, die noch falsch getroffen sind. Die Stimme ist schwergängig, heiser, rauh und einfach nicht “schön”.

Oder es gibt diese SchülerInnen, die seit Jahrzehnten geglaubt haben, “nicht singen zu können”. Weil irgendwann vor vielen Jahren, vielleicht im Kindergarten oder in der Schule irgendwer mal gesagt hat “sing nicht so schief” oder “immer singst du so häßlich”. Oder “sei nicht so laut”.

Interessanterweise sind dies nicht selten die SchülerInnen, die den Unterricht am meisten lieben, die nie eine Stunde absagen, die sich über jeden Song, den sie gelernt haben freuen. Und das, obwohl ihnen das singen lernen doch so viel schwerer fällt als den sogenannten “Talenten”.

Ich erinnere mich an einige SchülerInnen, denen ich in wochenlanger Arbeit buchstäblich jeden Ton einzeln beigebracht habe. Jeder Ton braucht seine eigene Körperspannung und musste erspürt, gehört und bewusst erzeugt werden. Hinzu kommen Rhythmik und Musikalität, die ebenfalls Herausforderungen sein können.

Ich fragte mich, warum sich jemand ein Hobby zulegt, das mit so viel Arbeit verbunden ist, bei dem die Fortschritte so langsam und – scheinbar - so klein sind und das Lob von Außen so schwer zu bekommen.

Für die “Talente” scheint es leicht zu sein. Wer eine schöne Stimme hat bekommt auch dann aus dem Umfeld viel Lob und Bewunderung, wenn das Gesungene gesangstechnisch eigentlich auch noch gar nicht so gut ist.

Ich kam irgendwann zu dem Schluss, daß das Singen für uns Menschen eine Art Urbedürfnis sein muss. Die Stimme ist so persönlich, so eng verwoben mit unserer Seele. Sie ist mit dem Atem verbunden, der uns das Leben selbst ermöglicht. Sie ermöglicht es uns, nicht nur Musik zu MACHEN, sondern die Musik, der Klang zu SEIN. Sie ist unser Ausdruck, sie ist unverwechselbar und einzigartig.

Wenn die Stimme zum Musikinstrument wird macht sie UNS zum Musikinstrument.

Daher tut es so weh, wenn die eigene Stimme als Kind oder in der Jugend von LehrerInnen, Eltern oder FreundInnen kritisiert und schlecht gemacht wird. Das ist nicht vergleichbar mit dem Erlernen eines anderen Instruments. Wenn wir schlecht Gitarre spielen ist die Gitarre ja immernoch nur ein Gegenstand und nicht ein Teil unserer SELBST.

Die Wunde einer solchen Kritik kann jahrzehntelang schmerzen und irgendwann ist es dann soweit und dieser Schmerz möchte geheilt werden. Manchmal brechen diese SchülerInnen in der ersten Stunde in Tränen aus, wenn ich ihnen sage, daß ihre Stimme doch völlig okay und sogar schön ist.

Manche SchülerInnen kamen in den Unterricht, weil sie sich wünschten, an Weihnachten auch einfach mal ohne Angst vor dem “schiefsingen” mitsingen zu können. Im Laufe der Zeit stellten sie fest, daß sie doch auch noch viel mehr erreichen konnten.

Manche, die jahrelang meinten, nicht singen zu können entdeckten bei sich auf einmal doch eine wunderschöne Stimme und viel Freude am sängerischen Ausdruck.
Singen ist erlernbar, auch wenn das “Talent” zunächst nicht so offensichtlich erscheint. Und wie schön ist es, wenn eine Schülerin, die mit drei falschen Tönen rauf und runter begonnen hat eines Tages bei einem Gesangsabend mitmacht und ihr Lieblingslied vorträgt?

Der Weg des Singens und des Singen lernens ist so individuell wie unsere Stimmen es ja auch sind. Manchmal beginnt der Weg mit dem Bau des Instrumentes, in anderen Fällen gibt es bereits ein Instrument zum Musikmachen und man kann schon damit beginnen, zu lernen, wie man es benutzt.

In jedem Fall führt uns die singende Stimme zu UNS selbst, zu unserem ganz eigenen Ausdruck. Atem und Stimme sind EINS. Daher wirkt das Singen unmittelbar auf Körper, Geist und Seele, es macht uns gesünder und glücklicher und bereichert ganz entscheidend unser Leben.

Wie ist deine Geschichte mit deiner Stimme und dem singen?

Hat dir mal jemand gesagt, du könntest nicht schön singen?

Welche Gefühle hast du in Bezug auf deine Stimme?

 

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